Verletzungsdrama um Jule Niemeier, Favoritinnen-Stürze – und nun spektakuläre Viertelfinal-Duelle
Die Zuschauer reckten den Daumen nach oben. Als Aufmunterung. Da wussten sie noch nicht, dass der Daumen das Problem ist. Der Daumen von Jule Niemeier! Die Dortmunderin hatte bei den bett1open presented by ecotrans Group mit ihrem mutigen Spiel und vor allem ihrem riesigen Kämpferherz begeistert. Doch ihr so beeindruckender Berlin-Auftritt endete am Donnerstagnachmittag im Achtelfinale mit einem Schock.
Beim Stande von 5:5 und 15:30 im zweiten Satz, sie hatte gegen Marketa Vondrousova bereits einen Matchball abgewehrt, stolperte die Rechtshänderin und fiel auf ihr rechtes Handgelenk. Sofort war klar: Das kann etwas Ernstes sein. Tapfer spielte sie nach einer Behandlungspause noch das zehnte Spiel des Satzes zu Ende. Aber nach ihrem ersten Aufschlagversuch im Folge-Spiel musste sie abbrechen. Schlimmer als die 3:6, 5:6-Niederlage sind die bohrenden Fragen: Welche Konsequenzen hat die Verletzung? Ist der Start in Wimbledon gefährdet? Niemeier kämpfte mit den Tränen, die Zuschauer im Steffi-Graf-Stadion gaben klatschend den Aufmunterungschor. Samt Daumen hoch! Alles Gute, Jule!
„Ich bin mit dem Daumen auf den Griff des Schlägers gefallen und habe relativ schnell gemerkt, dass ich den Daumen nicht mehr bewegen kann“, erklärte Niemeier hernach. Natürlich sagte sie das für den späteren Nachmittag angesetzte Doppel an der Seite von Noma Noha Akugue ab. Welche Folgen hat der 22. Juni in der Saison 2023 nun für Jule Niemeier? Das ist noch offen. Der Verletzungs-Schock von Niemeier war der größte von einigen Aufregern beim mit 850.000 US-Dollar dotierten WTA-Turnier beim LTTC „Rot-Weiß“ e. V. Denn das Steffi-Graf-Stadion wird weiterhin zur Falltür für Favoritinnen.
Titelverteidigerin Ons Jabeur (an vier gesetzt) war in der ersten Runde an Niemeier gescheitert. Wimbledon-Siegerin Elena Rybakina (an zwei gesetzt) ist auch raus. Nun heißt es auch für die an eins gesetzte Aryna Sabalenka und Coco Gauff (an fünf gesetzt): weg statt Siegerinnen-Scheck.
Sabalenka war im Auftaktsatz gegen Veronika Kudermetova überhaupt nicht auf der Höhe und verlor mit 2:6. Doch im zweiten Durchgang steigerte sie sich, gleichwohl scheiterte sie dennoch mit 6:7. Die per Wildcard startende Kudermetova spielte erfrischend auf, hat nun das zweite von bisher fünf Duellen gegen Sabalenka für sich entschieden.
Bereits davor hatten sich die Tennis-Fans auf ihren von der Sonne überfluteten Plätzen gefragt: Wie kann einer fest in den Top 10 etablierten Weltklasse-Spielerin eine Partie so entgleiten? Coco Gauff hatte in ihrem Achtelfinale gegen Ekaterina Alexandrova einen guten Start hingelegt und führte 3:1. Trotzdem verlor die US-Amerikanerin mit 4:6 und sogar 0:6. „Ich habe viel zu viele unnötige Fehler gemacht“, war Gauff hernach selbstkritisch und erinnerte sich gleichwohl leicht tröstend, dass ihr Start in die Rasensaison auch im Vorjahr holprig verlaufen war. Hingegen freute sich Alexandrova: „Gras ist und bleibt nicht mein Lieblingsbelag. Aber das Spiel auf Rasen liegt mir dennoch.“
Parallel zur Gauff-Blamage hatte sich auch Sabine Lisicki endgültig aus dem Turnier verabschieden müssen. Im Doppel an der Seite von Daria Kastakina setzte es eine 3:6 und 4:6-Niederlage gegen Desirae Krawczyk/Demi Schuurs. Es bleibt jedoch festzuhalten: Sabine Lisicki hat sich bei ihrem Heimatturnier in ihrer Heimatstadt in ihrem Heimatklub prima präsentiert. Im Einzel hatte sie in der ersten Runde gegen die amtierende Weltmeisterin Caroline Garcia zwar verloren, aber diese sagte dennoch anerkennend: „Wenn Sabine gesund bleibt, dann kann sie in der Weltrangliste ganz bestimmt wieder weiter nach vorne kommen.“
Weiter nach vorne – nämlich zu ihrem ersten Titel auf Rasen überhaupt – möchte auch die Griechin Maria Sakkari (an sechs gesetzt) kommen. Ihr Achtelfinale gegen Aliaksandra Sasnovich (WTA-Rang 70) war die erste Begegnung der beiden. Sakkari wurde ihrer Favoritinnen-Rolle vom ersten Ballwechsel an gerecht: 6:2 im ersten Satz. Ein frühes Break zum 2:0 im zweiten Durchgang war die Vorentscheidung, und Sakkari marschierte konsequent mit 6:1 in die Runde der letzten Acht und freute sich: „Ich genieße die Stadt, es ist ein tolles Turnier – und ich könnte nicht glücklicher sein. Auch ist es lange her, dass ich mal so deutlich gewonnen habe.“
Am Freitag geht es nun ab 11 Uhr weiter. Es wird ein rassiger Viertelfinal-Tag. Um 11 Uhr geht es los im Steffi-Graf-Stadion.
Ekaterina Alexandrova bekommt es dann mit Veronika Kudermetovazu tun. Alexandrova hat in diesem Jahr bereits das Rasenturnier in Den Bosch gewonnen und präsentiert sich in prächtiger Rasen-Form.
Danach wird es noch prominenter: Weltmeisterin Caroline Garcia (an drei gesetzt) gegen Petra Kvitova (an sieben gesetzt), die bereits zweimal Wimbledon gewonnen hat.
Maria Sakkari (an sechs gesetzt) bekommt es dann mit Marketa Vondrousova zu tun. Zum Abschluss treffen mit Lucky Loser Elina Avanesyan und Donna Vekic zwei überraschend stark auftretende Kontrahentinnen aufeinander.